Williams, Beatriz: Das geheime Leben der Violet Grant

Originaltitel: The Secret Life of Violet Grant
Verlag:
Blanvalet
erschienen:
2015
Seiten:
576
Ausgabe:
Klappenbroschur
ISBN:
3764505443
Übersetzung:
Anja Hackländer

Klappentext:

Manhattan, 1964. Vivan Schuyler hat das Undenkbare getan: Sie hat dem glamourösen Upperclass-Leben ihrer Familie den Rücken gekehrt, um Karriere als Journalistin zu machen. Als sie herausfindet, dass sie eine skandalumwitterte Großtante hat, ist ihr Spürsinn geweckt …

Berlin, 1914. Die junge Physikerin Violet erträgt ihre Ehe mit dem älteren Professor Grant nur, um ihren Forschungen nachgehen zu können. Doch plötzlich bricht der Erste Weltkrieg aus – und ein geheimnisvoller Besucher stellt Violet vor eine Entscheidung mit dramatischen Folgen.

Rezension:

Das ich dieses wunderbare Buch nach dem Cover ausgesucht habe, beschämt mich jetzt fast ein wenig. Natürlich hätte ich es ohne einen interessant klingenden Klappentext nicht gelesen, dennoch war das Titelbild für mich ein richtiger Eye-Catcher, der mich letztlich aber überhaupt nicht auf dieses unfassbar gute Buch vorbereitet hat.

Nach wenigen Seiten war ich absolut begeistert vom lebendigen Schreibstil der Autorin. Ich weiß nicht, wie sie das macht, aber obwohl der Roman 1964 spielt (bzw. später sogar Anfang des 20. Jahrhunderts) wirkte die freche Schreibe nicht aufgesetzt oder unangemessen, was vermutlich an Vivian, der ersten Protagonistin liegt.

Vivian ist – mit Verlaub – die Wucht in Tüten. Sie ist liebenswert, humorvoll, sagt andauernd Dinge, die man von einer Frau in den 60ern irgendwie nicht erwarten würde und schert sich wenig um das, was sich schickt oder nicht. Die ersten 30 Seiten, wo sich Vivian beim Abholen eines Päckchens in einem Postamt total zum Idioten macht und dabei der Liebe ihres Lebens begegnet, ist eine der witzigsten und perfektesten geschrieben Szenen, die ich in den letzten Jahren gelesen habe.

Die ungezwungene Frau hat sicherlich die Vorteile ihrer reichen Familie auf ihrer Seite, aber meistens lassen sie Vivian gewähren, denn sie fühlen sich in ihrer Upper Class Dekadenz wie die Könige. Wenn sich Eltern und Geschwister mittags bei Drinks und Zigaretten treffen, bleibt kein Auge trocken. Tatsächlich war das damals wohl so, da muss man nur mal eine Folge „Mad Men“ gucken.

Stilistisch etwas gezähmter geht es in den Abschnitten in Berlin um 1914 zu. Hier wechselt das Buch auch von Vivians Ich-Perspektive zu einem Erzähler, der Violets Werdegang als Wissenschaftlerin und Ehefrau beschreibt. Obwohl auch Violet einen ungewöhnlichen Weg beschreitet und sicherlich so etwas wie eine Pionierin ist, ist sie doch gänzlich anders als Vivian. Vivian ist wie feuriger Pfeffer, Violet ordnet sich einem Mann unter, um die Wissenschaftlerin sein zu können, die sie sein will. Das klingt paradox und es dauert lange, bis die junge Frau begreift, dass sie beides haben kann, persönliche Freiheit und berufliche Erfüllung.

Die Perspektiven und Zeitebenen werden kapitelweise gewechselt, so dass sich der Leser nie lange von einer der Protagonistinnen trennen muss. Wie sich die Geschichten nach und nach ineinander verzahnen, Violets alter Koffer ein Geheimnis offenbart und auch Vivians Leben für immer verändern wird, ist spannend, abenteuerlich, amüsant, überraschend, sexy und einfach richtig guter Lesestoff.

Interessanterweise spricht dieses Buch anscheinend auch Leser an, die sonst in der Abteilung „anspruchsvolle Literatur“ wildern. Meiner Kollegin Ina, die eher Hilary Mantel, Siri Hustvedt und Co liest, war von „Das geheime Leben der Violet Grant“ so begeistert, dass sie es jedem Kunden empfohlen hat, der nicht bei drei aufm Baum war! Zurecht! Das Buch verdient jeden verdammten Leser. Also losgehen, kaufen, irgendwo mit genug Essen und Trinken einschließen und LESEN!

Note: 1+

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