Interview mit Ulrike Schweikert

Interview mit Ulrike Schweikert (Mai 2003)



Foto Copyright Esther Beutz

Veröffentlichungen:

  • Die Tochter des Salzsieders (2000)
  • Die Hexe und die Heilige (2001)
  • Das Jahr der Verschwörer 2003)
  • Die Herrin der Burg (2003)
  • Die Seele der Nacht (2003)

als Rike Speeman:
  • Die Drachenkrone (2003)
  • Der Duft des Blutes 2003)



Kannst Du uns ein wenig über Dich erzählen? Deine Hobbys, deine Familie, etc....?
Fangen wir mit meiner Familie an. Ich habe zwei Schwestern. Monika ist drei Jahre älter, Renate sechs Jahre jünger als ich. Ich bin in Schwäbisch Hall geboren und aufgewachsen, erst in einem alten Fachwerkhaus mit Blick auf den Kocher und die Henkersbrücke, später in einem Neubaugebiet außerhalb der Stadt mit viel Wiesen und Wald drumherum. Meine Schwestern wohnen mit ihren Familien auch noch hier im Süden und wir verstehen uns gut. Meine Mutter lebt noch in Schwäbisch Hall, mein Vater ist leider vor eineinhalb Jahren gestorben.
Ich habe schon immer das Tanzen geliebt. Nach der Tanzstunde und den üblichen fortführenden Kursen habe ich Turnier getanzt - später dann in der Standardformation in Ludwigsburg. Das war sehr zeitraubend - am Schluss, als das B-Team in die erste Bundesliga aufstieg, hatten wir 20 Stunden Training die Woche. Die Wochenenden waren mit Turnieren, Showtanz oder Training belegt. Das war mit dem Geologiestudium dann nicht vereinbar - ich war ja viel auch auf Exkursionen im Ausland - und so musste ich aufhören. Heute gehe ich einmal in der Woche ins Balletttraining und tanze mit meinem Mann Tango Argentino.
Was von meinem Geologiestudium übrig geblieben ist, ist die Faszination Vulkane. Daher verbringen mein Mann und ich oft unsere Urlaube in ihrer Nähe - und steigen mit schwerem Rucksack auf die Gipfel. Vulkanlandschaften sind das Größte! Hawaii und Island sind meine Favoriten. Ansonsten tauche ich leidenschaftlich gern - vor allem natürlich in tropischen Gewässern.

Du hat eine Banklehre gemacht, dann aber aufgrund Deiner Liebe zum Schreiben ein Geologiestudium und danach ein Journalistikstudium begonnen. Hast Du schon als Kind gerne geschrieben?
Ja, ich hasste Diktate und liebte Aufsätze, vor allem, wenn man seiner Fantasie freien Lauf lassen konnte und Geschichten schreiben durfte. Später habe ich dann Reisereportagen geschrieben - wenn ich von einer Trekkingtour durch die Wüste zurückkam oder mit dem Rucksack auf dem Rücken den Jemen durchquert hatte oder so. Allerdings wurden diese nie veröffentlicht. Es ist nicht so einfach, bei den renomierten Magazinen reinzukommen.

Wie bist Du dann zum Schreiben gekommen und war es schwierig einen Verlag zu finden?
Das erste Buch habe ich während des Geologiestudiums geschrieben. Das war ein Fantasyroman - die Drachenkrone. (Sie kommt im Juni bei Knaur raus.) Ich war Spielleleiterin bei einem Fantasyrollenspiel und habe mir dazu die Geschichten ausgedacht. Ich dachte, es ist schade, wenn die dann vergessen werden und habe dann in den Semesterferien ein Buch daraus gemacht - das allerdings kein Verlag haben wollte. Aber nun hatte ich Blut geleckt und schrieb immer weiter. Es ist leider nahezu unmöglich direkt in einen Verlag reinzukommen, daher musste ich fünf Jahre durchhalten, bis ich zufällig auf einen Literaturagenten stieß, der mein Manuskript (Die Tochter des Salzsieders) las, mich unter Vertrag nahm und mir einen Verlag suchte.

Du bist bekannt geworden, durch Deine gut recherchierten historischen Romane. Wieso gerade dieses Genre, was reizt Dich daran?
Ich reise gern in fremde Länder und möchte neue Landschaften kennenlernen. Für meine Bücher reise ich in die Geschichte und lerne vergangene Lebensweisen kennen. Es ist die Neugier, wie war es damals, wie haben die Leute - vor allem die Frauen gelebt. Die Detektivarbeit, mit der ich das Alltagsleben rekonstruiere fasziniert mich.

Im Laufe dieses Jahres erscheinen bei Knaur zwei weitere Romane von Dir. Allerdings unter dem Namen Rike Speemann. Bei "Die Drachenkrone" handelt es sich um einen Fantasyroman und bei "Der Duft des Blutes" um einen Vampirkrimi. Kannst Du uns ein wenig über die Romane erzählen und warum Du Dich für ein Pseudonym entschieden hast? Wobei ganz so abwegig ist das Pseudonym ja für einen Schweikert-Kenner nicht. In Deinen Romanen hast Du immer eine Widmung für Deinen Mann, der mit Nachnamen Speemann heißt. :-)
Die Drachenkrone ist mein erstes Buch, das ich 1995 geschrieben habe. Ich vermute, dass der Boom um Herr der Ringe nicht ganz unschuldig ist, dass Fantasy jetzt wieder gefragt ist. Vor ein paar Jahren haben die Verlage nichts eingekauft. Es ist die Geschichte einer zusammengewürfelten Abenteurergruppe, die einen ganz harmlosen Auftrag übernimmt, dann aber in eine Verschwörung reinschlittert. Ein Magier ist auf der Suche nach Teilen der zerschlagenen Drachenkrone, mit der man die Drachen beherrschen kann. Dass er damit nichts Gutes vor hat, wird keinen wundern....
Der Duft des Blutes ist ein Experiment, ein Genremix zwischen klassischem Krimi und Fantasy. Der Roman spielt 2001 in Hamburg - hat eine junge Kommissarin als Hauptperson und einen Vampir, der die Kommissarin haben will. Er beginnt ein Katz und Mausspiel und er mischt sich in ihre Ermittlungen ein. Vampire faszinieren mich und es war mir ein Herzenswunsch, dieses Buch zu schreiben. Es wird auch irgendwann mit Peter von Borgo weitergehen.
Zu einem Pseudonym haben mir der Verlag und mein Agent geraten, da die Buchhändler und Leser "konservativ" sind und einen Autorennamen mit einem Genre verbinden. Ulrike Schweikert steht für historische Romane - da will ein Vampir nicht recht passen. Es ist kein Geheimnis, aber eine Unterscheidung, was erwartet den Leser. Die Meinungen dazu gehen auseinander. Ich habe den Rat eben angenommen.

Das leidige Thema - deutsche Verlage und die Unterstützung der heimischen Autoren. Welche Erfahrungen hast Du gemacht? Bemühen sich die Verlage doch mittlerweile um gute deutsche Autoren oder hat man als deutsche Autorin immer noch das Gefühl vor amerikanischen Einkäufen zurückstecken zu müssen?
Es ist ein leidiges Thema, denn viele Verlage wollen keine Risiken eingehen, wollen nicht in Aufbauarbeit eines deutschen Autors investieren. Sie kaufen lieber ein. Ich hatte das Glück, einen engagierten Agenten zu finden, der für mich einen Platz bei Knaur gefunden hat. Knaur hat es gewagt, mit der Tochter des Salzsieders als Spitzentitel im Frühjahr 2000 rauszugehen und das Wagnis hat geklappt. Vielleicht wird doch langsam umgedacht und der Schwerpunkt wieder mehr nach Deutschland geschoben. Vielleicht haben die Verlage nun endlich die Nase voll von den ausländischen Knebelverträgen und überhöhten Vorschusszahlungen.

Schreibst Du gerade an einem neuen Roman und verrätst uns ein wenig darüber?
Ich recherchiere gerade für den nächsten historischen Roman. es gibt ein Wiedersehen mit Anne Katharina Vogelmann. Es geht um die Reformationskonflikte und den Bauernkrieg und um die große Liebe :-)

Im Oktober 2003 erscheint ein weiteres HC mit dem Titel "Die Seele der Nacht - Die Legenden von Phantasien" von Dir. Auch Tanja Kinkel und Ralf Isau bringen zwei Hardcover mit diesem Untertitel heraus. Ist das eine Reihe und kannst Du uns etwas darüber erzählen?
Michael Endes Erben haben die Rechte an der Unendlichen Geschichte freigegeben und nun startet ein Projekt: Die Legenden von Phantásien. Zwölf Autoren schreiben zwölf von einander unabhängige Geschichten rund um Phantásien. Sie müssen sich logisch in und um die Unendliche Geschichte einordnen, sind aber keine Fortsetzung. Wir drei beginnen im Herbst die Reihe, dann folgen jedes halbe Jahr drei weitere Bücher. Außerdem wird ein Fernsehmehrteiler dazu gedreht.
In meinem Buch geht es um ein Land in Phantasien, das im Gegensatz zu den anderen nicht vom Nichts befallen ist. Im Gegenteil, es wächst sogar. Ein Mädchen vom Stamm der Tashan Gonar, ein junger Jäger aus dem schwarzen Felsengebirge und ein etwas schrulliger Erdgnom machen sich auf, dem Geheimnis von Nazaguohr auf den Grund zu gehen. Dabei treffen sie auf den unheimlichen Schattenlord und seine untoten Diener, die das Land in Angst und Schrecken versetzen

Du schreibst auch Jugendbücher. Ist die Arbeit schwieriger oder sagen wir anders, als für ein Erwachsenenbuch?
Sie ist auf keinen Fall leichter! Jugendliche sind sehr kritisch und sie wollen unterhalten und gefesselt werden - auf jeder Seite. Wenn ein Buch auch nur eine langweilige Stelle hat, dann wird es weggelegt. Das heißt, man muss sich noch mehr um eine straffe Spannungskurve bemühen. Die Historie ist nur Hintergrund. Ansonsten unterscheidet sich die Arbeit nicht.

Wirst Du weiterhin historische Romane und Fantasy schreiben oder könntest Du Dir auch etwas ganz anderes vorstellen?
Ich könnte mir auch andere Genres vorstellen - richtige Kinderbücher oder eine ausufernde Familiensaga - aber ich habe schon Zeitprobleme die angefangenen Reihen weiterzuführen. Mal sehen, wie ich das in Zukunft alles auf die Reihe bringe.

Deine historischen Romane zeichnen sich besonders durch sorgfältige Recherche aus. Wie gehst Du vor? Wälzt Du monatelang Bücher, besuchst Du die Orte, die in Deinem Roman vorkommen werden? Und welcher Typ Schriftstellerin bist Du? Verkriechst Du Dich beim Schreiben in Deine Arbeit oder musst Du immer Leute um Dich herum haben, die Deine Arbeit mit Dir besprechen?
Als erstes ist eine Idee da - die grobe Geschichte. Dann kommt die Hintergrundrecherche, d.h. viel Archivarbeit, Bibliotheken, stapelweise Bücher durcharbeiten nach spannenden Anekdoten, nach dem Alltagsleben, nach den politischen Intrigen... Ich gehe aber auch gezielt auf Historiker zu, die sich mit den Themen beschäftigt haben, die ich brauche oder an die entsprechenden Institute. Das Wissen über die Arbeit der Hebammen, die Kräutermedizin und den ganzen Aberglauben drumherum habe ich beispielsweise im Institut für Geschichte der Medizin in Stuttgart erfahren. Dann, wenn's ans Schreiben geht, verkrieche ich mich und würde am liebsten auch das Telefon abstellen. Dann bin ich sozusagen jahrhunderte weit weg. Außer meinen beiden Graupapageien kann ich da niemand um mich herum gebrauchen. Ich bin ein Eigenbrödler. Bevor nicht alles fertig und perfekt ist, darf mir niemand über die Schulter sehen. Auch mein Agent und der Verlag bekommen das Buch erst zu sehen, wenn es fix und fertig ist. Wenn ich dann zur Korrekturphase komme, werde ich wieder umgänglicher und versuche alle vernachlässigten Freunde wieder zu versöhnen.

Warum glaubst Du ist der historische Roman in Deutschland so beliebt? In den USA zum Beispiel ist es ein zu vernachlässigendes Genre.
Vielleicht weil wir viel mehr Jahrhunderte an Geschichte zu bieten haben. Die Amerikaner interessieren sich mehr für ihr eigenen Land und für das Jetzt. Die Europäer sind offener, an anderen Kulturen interessiert und auch an anderen Zeiten. Es hat sicher auch etwas von Romantik und - für ein paar Stunden - eine Flucht in ein andere Leben - vor allem in schwierigen Zeiten.

Und was reizt Dich an Fantasyromanen? Leider wird man in Deutschland als Fantasyautorin ja immer noch ein wenig belächelt. Man kann nur hoffen, das das Genre aufgrund der Herr der Ringe Manie weiter an Reputation gewinnt.
Mich reizt die absolute Freiheit. Gerade nach viel Recherchearbeit für einen historischen Roman ist das Erholung, seine Fantasie ganz frei ausleben zu dürfen. Außerdem bin ich ein Drachenfan. Ich hoffe natürlich, dass der "Herr der Ringe"-Aufschwung anhält.

Was liest Du gerade und welche Schriftsteller oder Bücher zählen zu Deinen Lieblingen? Was ist Dein Geheimtipp unter den historischen Romanen?
Mein liebstes Historisches ist "Die verbotenen Gärten" von Thomas Montasser. Ein Buch zur Zeit der Kreuzzüge im nahen Osten - die Hauptpersonen: ein französischer Kreuzritter und ein muslemischer Gelehrter. Es ist ein leises Buch, mit wunderschöner Sprache - ein bißchen kompliziert, durch die ständig wechselnden Orte und Zeiten - aber wunderschön!
Ansonsten lese ich gern Krimis - Mary Higgins Clark - oder jetzt ganz neu von Charles Todd - super! Einer meiner Lieblingskrimis iat aber "Ein Ort für die Ewigkeit" von Elisabeth George. Wenn mir der Sinn nach heiler Welt steht, dann lese ich die Biedermeierromane von Geogette Heyer (da kriegen sie sichimmer am Schluss).

Vielen Dank für das tolle Interview!