Liebe Iris, bitte stelle Dich doch den Besuchern der Bücherkiste ein
wenig vor. Familie, Hobbys, etc.
Ich möchte mich einfach mal auf die Fakten beschränken: geboren 1963 in
Krefeld, altertums- und literaturwissenschaftliches Studium in München
und Marburg, nach vielen Stationen in Marburg heimisch geworden,
verheiratet, 1 volljährig werdende Tochter, 1 ebenso alte Katze und 5
wuselige Chinchillas, selbständige Medienberaterin, Gründungsmitglied
des 42erAutoren e.V., Mitglied bei Quo Vadis (Autorenkreis historischer
Roman), überzeugte Nutzerin öffentlicher Verkehrsmittel und des
CarSharings, Worcoholic, Vielleserin, Vielschreiberin, Cineastin,
Wandererin in den unendlichen Weiten des Internet ...
Im April 2004 erschien Dein erster historischer Roman "Der Tribun" im Heyne Verlag. War es schwer veröffentlicht zu werden und wie kam der Kontakt mit dem Heyne Verlag zu stande?
Das Lorbeerkränzchen gebe ich an meinen Agenten Andreas Brunner aus Wien
weiter.
Ich habe sehr lange gewartet, bis ich meine Fühler hinsichtlich einer
Veröffentlichungsmöglichkeit ausgestreckt habe, aber dann ging es
eigentlich Schlag auf Schlag: Von 6 angeschriebenen Agenturen haben zwei
das Manuskript angefordert; ich konnte dann tatsächlich zwischen beiden
wählen. Das wurde dann keine Entscheidung gegen die eine oder andere,
sondern für Andreas Brunner und Diana Voigt, weil für mich die Chemie
einfach zu 100% gestimmt hat.
Andreas Brunner, der die Agentur inzwischen allein führt, hat sich dann
des Textes angenommen, und gleich bei der ersten Runde machte u.a. Heyne
ein Angebot, für das ich mich dann schließlich entschieden habe.
Eine kleine Schwierigkeit ergab sich daraus, dass die betreffende
Lektorin bald darauf den Verlag wechselte, und ich mich mit ihrer
Nachfolgerin erst einmal zusammenraufen musste. Nimm das ruhig wörtlich
- ich bin ein ziemlich impulsiver Mensch, der obendrein sehr genau weiß,
was er will, also sicherlich nicht einfach. Aber letztendlich haben wir
lauter gute Kompromisse gefunden, und als Krönung dieser harten Arbeit
sehe ich die gute Aufnahme des "Tribun" bei den unterschiedlichsten
LeserInnen.
An Deinem Buch ist mir sofort die liebevolle Gestaltung aufgefallen. Das Coverbild ist sehr schlicht, aber wunderschön. Im Innenleben des Buches findet man eine Karte und ein ausführliches Glossar. Außerdem ist das Schriftbild sehr angenehm. Hattest Du auf all diese Dinge Einfluss?
Das Cover wäre beinahe noch gekippt worden. Aber es lag meiner Lektorin
sehr am Herzen, hier ein besonderes Buch zu gestalten, so dass wir das
mit vereinten Kräften noch abbiegen konnte. Die Gestaltung stammt
übrigens von der Münchner Grafikerin Martina Eisele, die auch die
schönen Hardcover-Einbände der Ayla-Serie gestaltet hat.
Was fasziniert Dich so sehr an der römischen Geschichte?
In diesem Falle war es weniger die römische Geschichte insgesamt als
speziell die Auseinandersetzung zwischen Römern und Germanen kurz nach
der Zeitenwende und ihre Tradierung in der deutschen Geschichte.
Arminius war immer sehr wichtig für das deutsche Nationalgefühl, obwohl
die Verklärung dieses Mannes zu einem Nationalhelden bei genauerer
Betrachtung schnell in Teufels Küche führt. Da passt einfach vieles
nicht zusammen.
Solche Themen reizen mich. Als alte Akademikerin möchte ich Dingen
detektivisch auf die Spur kommen, herausfinden, was wahrscheinlich
geschehen ist und die wahrscheinlichen Motivationen dahinter erforschen.
Auch hier sind es vor allem die menschlichen Faktoren in ihrem
historischen Umfeld, die mich gereizt haben, weniger die Epoche an sich.
Du hast jede Menge geisteswissenschaftliche Fächer studiert (Philosophie, Literatur, Archäologie, etc.). Verschafft Dir Deine Ausbildung einen Vorteil beim Schreiben von historischen Romanen? Wie kamst Du überhaupt zum Schreiben?
Sie verschafft einen Vorteil, weil ich dadurch auch ein intensives
Quellenstudium betreiben kann. Schriftliche Quellen sind ja keine
objektiven Daten, sondern wurden in einem bestimmten historischen Umfeld
von Menschen geschrieben, die mit ihren Texten Absichten verfolgten.
Alle Literatur, ob fiktional oder non-fiktional, ist Kommunikation, und
Kommunikation beabsichtigt immer auch eine Beeinflussung des (gedachten)
Gegenübers. Diese Absichten verfärben natürlich die Darstellung der
Sachverhalte - gelegentlich bis zur völligen Entstellung. Daher kommen
vielfach auch die Widersprüche zwischen verschiedenen Geschichtsschreibern.
Dahinterkommen zu können, warum und wozu welcher Autor einen Sachverhalt
so und nicht anders darstellte, hilft sehr viel dabei, die
wahrscheinlichste Variante zu rekonstruieren. Ob diese Rekonstruktion
die tatsächliche Realität darstellt, bleibt allerdings dahingestellt,
denn auch ich bin ein Mensch, der in einem bestimmten historischen
Umfeld lebt und eine bestimmte Erzählerabsicht hegt.
Du beschäftigst Dich sehr mit Deinen Lesern. Du begleitest im
Internet diverse Diskussionsrunden zu Deinem Buch und warst auch schon
vor der Veröffentlichung Deines Buches reges Mitglied im Storica Forum.
Ich finde es sehr erfrischend und ungewöhnlich, das eine Autorin
trotzdem als normale Romanleserin in einem Forum mitdiskutiert. Wie
wichtig ist Dir der Kontakt mit Deinen Lesern und der sonstige Austausch
über Literatur?
Ein Roman ist eine sehr einseitige Kommunikation - ich bedaure es immer
sehr, wenn ein Autor schon tot ist, so dass ich ihn nicht einmal mehr
die Möglichkeit habe zu fragen, was er wie gemeint hat, warum er so und
nicht anders schreibt usw. Ich lese selbst sehr gern und viel (in den
letzten beiden Jahren leider viel weniger als ich möchte!) und bin es
aus der Uni gewohnt, mich über Texte intensiv auszutauschen - warum also
auch nicht über meinen eigenen? Schließlich handelt es sich doch um ein
Stück Kultur, und Kultur entfaltet im Diskurs, in der Kommunikation, im
Gespräch.
Außerdem bin ich schlicht und einfach neugierig, wie dieses in einigen
Dingen etwas ungewöhnliche Projekt bei den LeserInnen ankommt.
Und zugegebenermaßen steckt sicherlich auch ein bisschen Eitelkeit dahinter.
Du verknüpfst geschickt Dein historisches Wissen mit einer spannenden
Geschichte und ungewöhnlichen Charakteren. Klischeehafte Figuren und
schlecht recherchierte Fakten sucht man bei Dir vergeblich. Wie siehst
Du im allgemeinen die momentane historische Romanwelt in Hinsicht auf
Qualität, etc.? Gibt es Unterschiede zwischen z.B. historischen Romanen
aus den USA und aus Deutschland?
Darüber könnte ich ein Sachbuch schreiben!
Historische Romane sind in Deutschland und m.W. überhaupt in Europa sehr
beliebt. Wir Europäer haben eine sehr lange Geschichte, sind uns derer
auch sehr bewusst, schätzen sie, schämen uns für vieles, aber im Großen
und Ganzen gibt es sehr vieles, worauf wir zu Recht stolz sind. Wir
leben in dem Bewusstsein, dass wir aus der Geschichte lernen können.
Im Schulsystem z.B. der USA hingegen ist "Geschichte" nur ein
Bestandteil der Social Sciences und führt ein Schattendasein. Es ist ein
Orchideenfach par exellence.
Das spiegelt sich teilweise auch in der historischen Literatur wieder:
Für amerikanische AutorInnen ist Geschichte meist eine Spielwiese, um
moderne Ideologien oder religiöse Überzeugungen zu transportieren, oder
einfach eine Art Fundus, aus dem man sich eine bunte Kulisse für eine
Story zusammensucht.
Da einige dieser Produkte in Europa einen Bombenerfolg feier(te)n (ich
danke da z.B. an Bücher wie "Die Päpstin" von Donna Cross oder Marion
Zimmer Bradleys "Wälder von Albion" etc.), hat sich diese Einstellung
auch hier im Bereich der Unterhaltungsliteratur eingeschlichen. Diese
Art von Literatur erfüllt unbestritten ein Lesebedürfnis - aber sie ist
ebenso kommerziell wie Coca Cola und McDonald's.
Und ebenso wie Coca Cola und McDonald's bei allem Spaß erhebliche Folgen
für die Ernährung und damit auch die Gesundheit haben können,
kolportieren solche Romane ein Geschichtsbild, das mit der Realität
nichts zu tun hat, sich aber durch das bloße Lesevergnügen als
historische Wirklichkeit in den Köpfen der Menschen festsetzt.
Historische Romane bedienen nämlich neben dem Bedürfnis nach
Unterhaltung auch das, eine bestimmte Epoche mal in Fleisch und Blut zu
erleben.
Ich habe in dieser Hinsicht einen hohen Anspruch an mich selbst und bin
der Überzeugung, dass man Anspruch und Unterhaltung durchaus erfolgreich
verbinden kann. Schließlich war Schiller - ohne mich ernsthaft
vergleichen zu wollen - seinerzeit ein sehr beliebter Bühnenautor und
forderte selbst in seinen Schriften, es sei die vornehmste Pflicht der
Kunst, "Ergetzen" zu erzeugen, also: zu unterhalten! Denn nur wenn die
LeserInnen sich gut unterhalten, kann man ihnen etwas vermitteln.
Was sind Deine weiteren schriftstellerischen Pläne? Kannst Du uns ein
bißchen darüber verraten?
Zunächst einmal handelt es sich beim "Tribun" um den ersten Teil einer
Trilogie, die sich mit den römisch-germanischen Auseinandersetzungen vom
Aufstand des Arminius (9 n.Chr.) bis zum Abzug des Germanicus (16
n.Chr.) befasst. Da ist genug Stoff drin, der mich in den nächsten
beiden Jahren noch beschäftigen wird.
Nebenbei arbeite ich auch an einem zeitgenössischen Roman, der völlig
anders geartet ist; auch wenn es sich um eine Adaption verschiedener
Motive aus der antiken Literatur handelt, ist nichts "Historisches" daran.
Und mich treiben natürlich einige (auch historische) Ideen herum, u.a.
die zu einer thematischen Anthologie - aber das steht alles noch in den
Sternen.
Du bist Mitglied in den Autorenvereinen "42er Autoren e.V." und "Quo
Vadis". Was bringt Dir diese Mitgliedschaft? Sowohl persönlich, als auch
beruflich.
Bei den "42ern" (www.42erAutoren.de) hat mir die Mitgliedschaft sowohl
menschlich als auch im Hinblick auf das Schreiben sehr viel gebracht, da
bei dieser Gruppe die Textarbeit, die Reflexion über den Text und seine
Wirkung, über Stilmittel, Erzählweisen, Dramaturgie etc. eine wichtige
Rolle spielt. Ich muss zugeben, dass ich ohne die 42er den "Tribun"
vermutlich nicht fertiggeschrieben hätte; es war ein Projekt, das längst
in der Schublade geendet war und das ich nur noch aus Gründen der
Sentimentalität aufgehoben hatte. Insofern verdanke ich dieser Gruppe,
vor allem einem "harten Kern" bestehend aus Tom Liehr, Mareen Göbel und
Jörg Chales de Beaulieu und anderen sehr, sehr viel!
Quo Vadis (www.akqv.org) ist ein wesentlich loserer Zusammenschluss von
AutorInnen, die (auch) historische Texte schreiben, angelehnt an das
Syndikat der KriminalautorInnen. Hier helfen einem die Kontakte
untereinander und der Erfahrungsaustausch. Und es ist auch nett, sich
einmal im Jahr zu treffen, vor Publikum zu lesen, zu ratschen ...
Was liest Du privat gerne? Irgendwelche Lieblingsautoren? Und was
ist Deine momentane Lektüre?
Klassiker natürlich, vor allem immer noch antike Autoren wie Ovid,
Vergil, Properz, Sappho, Platon etc., bei denen ich mich völlig
verlieren kann. Lieblingsautoren wären z.B. Gabriel Garcia Márquez,
Umberto Eco, Nadine Gordimer, Doris Lessing, Thomas Mann, Hermann Hesse,
Virginia Woolf, Heinrich Böll, Siegfried Lenz (auch wenn er sich in all
seinen Geschichte verrennt), Leo Tolstoi ... daneben aber auch Jeffrey
Eugenides, Philipp Roth, John Irving, Kurt Vonnegut, Toni Morrison ...
einen Haufen KollegInnen wie Guido Dieckmann, Rebecca Gablé, Tom Liehr
... Ich hör jetzt lieber auf, sonst wird das eine endlose Liste!
Momentan erhole ich mich bei einem Krimi von Lea Wolf, "Kalt ist der
Schlaf", dessen Schauplatz Philippsburg immer wieder fatal an mein
Heimatstädtchen Marburg erinnert ...
Vielen Dank für das Interview!
Ich habe zu danken für die Gelegenheit. Außerdem macht es mir Freude.
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