Ganß, Ingrid: Der Spielmann

Verlag:: Dryas
erschienen:2009
Seiten: 599
Ausgabe: Taschenbuch
ISBN: 3940855162

Klappentext:

Während sich in Frankreich am Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV. jede erdenkliche Pracht entfaltet, leiden die deutschen Lande unter den Folgen des 30jährigen Krieges. In dieser Zeit begeistert sich die behütet aufgewachsene, gebildete Fürstentochter Elisabeth für die aufkeimenden Gedanken von der Gleichheit von Mann und Frau. Sie widersetzt sich den Heiratsplänen ihres Vaters, bis dieser die Geduld verliert und sich zu dem Schwur hinreißen läßt, sie solle nach Ablauf eines Monats mit dem erstbesten Manne vermählt werden, der um ihre Hand anhält. Und just an diesem Tag betritt der verwegen aussehende junge Spielmann Jakob den Speisesaal des Fürsten. Er führt die verwöhnte Prinzessin auf die staubige Landstraße, und Elisabeth muß lernen, sich in der ihr gänzlich unbekannten Welt der Gaukler und Zigeuner, der Bauern und Küchenmägde zurechtzufinden.

Rezension:

Es gibt diesen alten Spruch, dass gute Bücher wie Freunde sind. Ich habe schon viele Freunde unter den Büchern gefunden die mich auch nach Jahren noch begleiten, da ich sie immer wieder gerne lese. Mit „Der Spielmann“ habe ich jetzt einen besonders wertvollen neuen Freund gefunden, der mich sicher für den Rest meiner Tage begleiten wird.

Es ist diese wundervolle Mischung, aus einem Märchen welches mich schon in meiner Kindheit begleitet hat, und der historischen realen Alltagswelt, die Ingrid Ganß in diesem Buch geschickt miteinander verbunden hat. Ein König hatte einmal eine Tochter, die hochmütig und stolz war und kein Heiratskandidat war ihr genehm. Oder war die Tochter einfach nur klug und selbstbewusst und hatte andere Vorstellungen von ihrem Leben, als Heiraten und jedes Jahr ein Kind zu bekommen? Kann man die Aussagen die in den alten Märchen stecken, nicht auch heute noch in unserer Gesellschaftsordnung – und speziell auf die Stellung der Frau bezogen – immer wieder neu definieren?

Ich habe selten einen historischen Roman gelesen der komplett ohne Gewalt und Vergewaltigungsszenen auskommt und dennoch atemberaubend spannend und fesselnd ist. Die Zeit nach dem 30 jähr. Krieg war für die Bürger und Bauern in Deutschland schon grausam genug. Armut, Hunger, Kälte, Krankheiten, Unwetter und grausame Strafen für kleinere Straftaten machten den Menschen das Leben schon schwer genug. Hinzu kam für viele Frauen auch noch die Angst vor der Inquisition. Dieses reale Leben führten die kleinen, armen Menschen zwischen Abfällen und baufälligen Behausungen. Im Adel sah das jedoch ganz anders aus. Da wurde geprasst und verschwendet. Die feinen Damen kümmerten sich um ihre Frisuren und den neuesten Klatsch. Und genau in diesem Umfeld wächst Elisabeth auf und soll, nachdem sie sich lange gesträubt hat, nun endlich verheiratet werden.

Elisabeth wehrt sich jedoch mit allen Mitteln die ihr zur Verfügung stehen und am Ende reißt dem Vater der Geduldsfaden. Er setzt einen Tag fest, an dem der erste Mann der das Schloss betritt, Elisabeths Ehemann werden soll. Und wie der Teufel es so will, taucht genau zu diesem Zeitpunkt ein junger Spielmann auf. Und nun wird es nicht nur heiter für den Leser, sondern auch manches mal etwas grausam, denn man lacht und leidet fürchterlich mit den Protagonisten. Plötzlich sieht man die Welt, und auch die Zeit nach dem 30 jähr. Krieg mit ganz anderen Augen.

Der Spielmann, Jakob, ist schon eine Klasse für sich. Ein bisschen Macho, ein bisschen Oberlehrer, außerdem auch noch mit einer gehörigen Portion Eigensinn gesegnet und obendrein auch noch so richtig schön romantisch und zärtlich. Ein Typ zum Verlieben, aber eben auch mit vielen charakterlichen Ecken und Kanten. Nicht unbedingt der tolle strahlende Held der unfehlbar ist.

Aber auch Elisabeth ist nicht ohne. Sie ist mindestens genauso eigensinnig wie er. Sie ist klug und lernt schnell, aber sie ist natürlich auch immer wieder mal hilflos in dieser ganz anderen Umgebung. Diese Hilflosigkeit lässt sie dann auch schon mal kratzbürstig oder zickig erscheinen. Was sie aber genau genommen gar nicht ist, im Gegenteil, sie ist ein sehr herzlicher und verständnisvoller Mensch.

So gehen also diese zwei wunderbar gezeichneten Charakter durch die deutschen Lande und es kommt zu wundervoll beschrieben Szenen, in denen Elisabeth die Armut, aber auch die einfachen Menschen kennen und verstehen lernt. Es kommt zwischen Jakob und Elisabeth immer wieder zu sehr interessanten ud sehr lebendigen Dialogen. Die Autorin zeigt hier ein ganz besonderes Geschick bei der Wortwahl und auch bei der Satzstellung.

Ingrid Ganß zieht alle Register bei den Beschreibungen der Menschen und ihrer Gefühle. Genauso wie bei der Beschreibung der Landschaft und auch der Abenteuer die Elisabeth und Jakob erleben. Die Autorin hat mit sehr einprägsamen Worten auch viele facettenreiche Nebencharaktere erschaffen mit denen der Leser dann auch schnell vertraut ist. Die Beschreibungen des Schmutz und der Armut sind so geschickt formuliert das man förmlich den Duft vom Unrat beim Lesen in der Nase hat und unbewusst das Fenster öffnet.

Es entspinnt sich nun so nach und nach zwischen Jakob und Elisabeth eine Beziehung in der die beiden sich nichts schenken, aber dabei immer versuchen fair und respektvoll miteinander umzugehen. Sie debattieren auf gleichem Niveau und mit starken Argumenten. Diese Debatten habe ich auch gerne zweimal gelesen, weil sie einfach so viel Spaß machten. Die zarte Liebesgeschichte ist sehr geschmackvoll und gut dosiert in die Handlung eingefügt. Durch diese außergewöhnlich gute Dosierung wirkt diese Lovestory sehr romantisch und auch sehr erotisch. Oder kurz gesagt: Einfach zauberhaft!

Der Schreibstil der Autorin ist sehr flüssig und leicht zu lesen. Auch wenn er am Anfang durch die eine oder andere französische Redewendung, die ja im Adel damals üblich war, etwas anspruchsvoll wirkt. Das legt sich aber, sobald der Spielmann auftaucht. Da es in diesem Buch keine Einteilung in Kapitel gibt findet man einfach nie einen Grund das Buch aus der Hand zu legen. Man sollte sich also von vornherein viel Zeit zum Lesen nehmen, denn wenn man erst einmal angefangen hat dann taucht man aus dem Buch erst wieder auf wenn man es zuklappt.

Note: 1

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