Die Welle von Morton Rhue

Begonnen von Nebelpriesterin, 11. März 2008, 15:00:09

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Nebelpriesterin

Weil der Film ja am Donnerstag (13.03.08) in die Kinos kommt, habe ich meine alte schon recht angegilbte Ausgabe aus den Tiefen meines Regals gezogen und innerhalb von 2 Abenden verschlungen. Obwohl als Kaufdatum 1986 im Buch steht, habe ich es noch nie gelesen. Ich denke, dass meine Gedanken dazu in dieser Rubrik am besten aufgehoben sind.


[isbn]3-473-51501-9[/isbn]

Inhalt:
In Die Welle beginnt alles mit einem Film über den Holocaust. Der junge Lehrer Ben Ross zeigt den Schülern der Gordon High School Bilder von ausgermergelten Juden im Konzentrationslager. Alle sind angewidert und entsetzt, aber eine Gruppe um Laurie Saunders von der Schülerzeitung "Die Ente" kann und will nicht glauben, dass Menschen zu derlei Grausamkeiten überhaupt fähig sind. Um sie und andere zu überzeugen, startet Ross ein Experiment, dass auf fast unbemerkte Art und Weise Methoden der Diktatur installiert. Und plötzlich zerfällt der Klassenverbund in Opfer und Täter -- bis die Situation auf schreckliche Weise eskaliert.


Meine Gedanken zu diesem Buch:
Das Buch ist in übersichtliche kurze Kapitel unterteilt und lässt sich sehr gut lesen. Die Sprache ist klar und einfach, und unterstützt damit die Botschaft, die das Buch hat, denn die benötigt keine verschnörkelten Umwege. Die Personen werden nach und nach eingeführt. Nach ein paar Seiten liegen sie wie auf einem Fächer ausgebreitete vor dem Leser. Es wird allzu schnell deutlich, welcher Charakter welche Rolle spielen wird. Da ist zum Beispiel die gute Schülerin Laurie Saunders, der nicht wohl ist bei der Sache und die sich schließlich gegen die Welle stellt. Auf der anderen Seite Robert Billings, ein Außenseiter, der erst durch die Welle Teil einer Gemeinschaft wird, Selbstbewusstsein bekommt und damit zum perfekten Erfüllungsgehilfen des ,,Führers", in diesem Fall des Lehrers wird.

Morton Rhue beschreibt, wie leicht Menschen, in diesem Fall Schüler, manipuliert werden können und wie Gruppendruck funktioniert. Er beschreibt, wie Individualität nach und nach verschwindet und einer gemeinsamen Sache und ihren Parolen untergeordnet wird und wie anders denkende nach und nach ausgegrenzt werden. Es beschreibt wie eine Bewegung sich verselbstständigt und sich der Kontrolle der Einzelnen entzieht.

Ähnlich wie ,,Lord of the Flies" von William Golding gilt dieses Buch ja als klassische Schullektüre und das finde ich richtig so. Ich denke als Schülerin hätte es mich auch deutlich mehr beeindruckt als heute mit Mitte 40. Jetzt erscheint es mir trotz des erschreckenden Szenarios allzu leicht durchschaubar und vorhersehbar. Allerdings kannte ich die Geschichte auch schon vorher und damit auch ihr Ende.

Das eigentlich Erschreckende und Aufrüttelnde ist für mich, dass dieses Buch auf wahren Tatsachen beruht und diese Geschichte im April 1967 an der Cubberley High School in Palo Alto tatsächlich so passiert ist.

Bei mir bleibt die Frage, ob es denn tatsächlich so einfach wäre, auch heute noch. Wenn ja, wie viel einfacher wäre eine Beeinflussung durch moderne Medien wie das Internet möglich? Fängt Gruppendruck nicht eigentlich auch täglich in sehr viel kleinerem Rahmen an, wenn sich zum Beispiel in einer Clique sich jemand nicht traut einen anderen Musik- oder Kleidergeschmack zu haben?

Mein Fazit: Ein kleines Buch, das zum Nachdenken anregt und zu Recht Schullektüre ist.

Hans

Hi,

ZitatBei mir bleibt die Frage, ob es denn tatsächlich so einfach wäre, auch heute noch. Wenn ja, wie viel einfacher wäre eine Beeinflussung durch moderne Medien wie das Internet möglich? Fängt Gruppendruck nicht eigentlich auch täglich in sehr viel kleinerem Rahmen an, wenn sich zum Beispiel in einer Clique sich jemand nicht traut einen anderen Musik- oder Kleidergeschmack zu haben?

um die Frage gleich zu beantworten: Ja. Gruppendruck fängt schon in so kleinen Kreisen an, oft sogar schon in der Familie, wenn Eltern ihre Kinder in eine bestimmte Richtung drängen, wo die Kinder gar nicht hin wollen.

Und was die Beeinflussung durch die Medien angeht: Das ist doch heut zu Tage leider schon gängige Praxis, es merkt nur fast keiner. Beispiel gefällig? Überall liesst und hört man, das die Renten nicht sicher sein sollen, und man unbedingt Privat vorsorgen soll. Der Haken ist nur: Viele haben das Geld dafür nicht, und die Riesterrente ist 'ne Mogelpackung. Und was regelmässig verschwiegen wird: Die sogenannten Experten, die einem immer einreden, man müsse privat vorsorgen, sind nebenbei bei genau den Unternehmen tätig, die diese Versicherungen anbieten (siehe hier.) Die negative Krönung davon ist dann sowas hier, :schrei: womit wir wieder in der Schule wären.
Mehr Beispiele verkneif ich mir hier, weil dies ja kein Forum über aktuelle Politik ist und auch nicht sein soll. Dazu gibt es andere Seiten im Netz.

:winken:
Hans
Man muß nicht alles wissen, aber man sollte wissen, wo es steht.
Zum Beispiel hier: Infoportal Deutschland & Globalisierung oder Nachdenkseiten

Nebelpriesterin

hallo hans,

danke für Deine Amerkungen.

Am Freitag habe ich den Film Die Welle gesehen und will meinen Eindruck dazu hier auch kurz loswerden:

Als ich gehört habe, dass die Handlung von Amerika Ende der 60er Jahre in die heutige Zeit nach Deutschland verlegt wurde, war ich zunächst sehr skeptisch. Ganz allgemein mag ich es nicht, wenn eine Buchvorlage so verändert wird. Aber im Lauf des Films fand ich diese Idee immer besser. Gerade dadurch kann keiner mehr sagen, dass alles lange her sei und außerdem ja in einem ganz anderen Land stattgefunden habe. Die modernen Mittel wie ein Internetauftritt, Rundmails oder das Taggen unterstrichen die Möglichkeit, dass es hier und heute jederzeit wieder passieren könnte, denn das Thema ist zeitlos.

Die Schauspieler fand ich glaubwürdig und vor allem Jürgen Vogel als Lehrer Rainer Wenger hat mir gut gefallen.

Allein das Ende hätte so blutig nicht ausfallen müssen. Die Botschaft des Film wäre sicherlich aus so gut rübergekommen. Für mich ganz persönlich ist das Ende der Schwachpunkt.

Mein Fazit. Empfehlenswert, auch wenn man die Vorlage schon kennt.

Librimania

Hihi,

ich war vom Film zwar schon berührt, aber richtig aufgerüttelt hat mich das Buch. Ich habe es relativ frühl gelesen, in einem Alter, in dem ich noch der Überzeugung war, dass ich bei so etwas wie dem Hitler Deutschland nie und nimmer mitgemacht hätte. Ich meine, andere Leute derart benachteiligen, nur weil sie in einem Aspekt (Juden) anders sind?
Ich bin wahnsinnig erschrocken, als ich das Buch gelesen habe und danach feststellen musste, dass ich vermutlich doch nicht so resistent gewesen wäre. Oder zumindest nicht laut protestiert hätte. Und dieser "Schock" wirkt immer noch nach. Jetzt bin ich ein bisschen vorsichtiger und hinterfrage Massenbewegungen.
Deswegen habe ich immer noch den allergrößten Respekt vor dem Buch, da es so aufrüttelnd war. Der Film hat zwar etwas davon, geht aber weniger in die persönlich aufrüttelnde Richtung sondern eher in ein allgemeines Chaos.
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