Donal Ryan - Die Gesichter der Wahrheit

Begonnen von Christiane, 04. Januar 2017, 15:41:35

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Christiane

[isbn]978-3257069631[/isbn]

Klappentext:
Nachdem die große Finanzblase geplatzt ist, kommen in einem kleinen Städtchen in Irland gefährliche Spannungen ans Licht. Pokey Burke, vormals Chef der örtlichen Baufirma, die für Arbeit und Wohlstand sorgte, hat sich feige aus dem Staub gemacht und die Menschen seiner Heimatstadt mit unbezahlten Gehältern, unfertigen Häusern und ohne soziale Absicherung im Stich gelassen. Die Krise hat ein Gesicht: das des Nachbarn. Als die Gewalt auflodert, ist jeder gefangen zwischen dem, was er nach außen vorgibt zu sein, und dem, was er sich in seinem Innersten wünscht. Einundzwanzig Stimmen erzählen jede ihre eigene Wahrheit, und eine einzigartige Geschichte beginnt.


Mein Eindruck:
Das Layout ist so wie man die klassischen kleinen Büchlein von Diogenes kennt. Das Bild ein wenig nichtssagend, der Titel dafür vielsagend.

Der Roman liest sich sehr gut, der Stil ist flüssig und spiegelt die unterschiedlichen Charaktere der Protagonisten wider. Die Kapitel sind recht kurz und in sich abgeschlossen. Allerdings muss man diese lakonische, etwas distanzierte Art zu erzählen schon mögen.
Die Finanzkrise in Irland ist der Rahmen der Handlung. In jedem Kapitel erzählt eine andere Person aus einem kleinen Ort von dem, was ihn oder sie gerade bewegt. So werden die Auswirkungen der Krise auf eine Gemeinschaft für den Leser greifbar. Durch die verschiedenen Perspektiven zeigt sich, was so eine schwierige wirtschaftliche Lage mit den Menschen macht, bei vielen das Schlechte, bei manchen auch das Gute zutage bringt. Viele Figuren erscheinen einem auf den ersten Blick unsympathisch, aber oft gibt es dann doch diesen Funken ,Gutes im Menschen', ein anderer Blick auf das Verhalten, das einen diesen ersten Eindruck überdenken lässt.
Durch die distanzierte, nüchterne Erzählweise bleibt man als Leser immer ein Beobachter, der wie durch ein Fenster von außen auf das Geschehen blickt. Trotzdem schafft es der Autor, dass die Protagonisten sehr glaubwürdig erscheinen, ihr Handeln nachvollziehbar ist und man als Leser fühlt, dass es einer inneren, fast zwingenden Logik folgt. Es entsteht eine Spannung zwischen dem beobachtenden Blickwinkel und dieser greifbaren Nähe zu den Figuren, die diesen Roman zu etwas ganz Besonderem macht.
Mein Problem war beim Lesen, dass ich mir Namen nur ganz schlecht merken kann. Und hier gibt es unglaublich viele Namen und kaum Beschreibungen der Personen, so dass man kein physisches Bild von den Menschen bekommt. Das liegt daran, dass der jeweilige Ich-Erzähler die Menschen in seiner Umgebung ja kennt und ihr Äußeres daher nicht beschreiben muss. Irgendwann habe ich zu Papier und Bleistift gegriffen, bin nochmal zum Anfang zurück gegangen und habe mir zu allen Namen Notizen gemacht. Das machte das Lesen für mich schon etwas anstrengend und so bin ich letztlich froh, dass das Büchlein nur 240 Seiten hat. Es nicht fertigzulesen wäre nämlich wirklich schade, denn Donal Ryan schafft es, einen anzuregen, sich mit den Urteilen und Vorurteilen, die jeder von uns hat und mit den vielen Facetten der Menschen zu beschäftigen.


Fazit:
Insgesamt hat mit die Erzählung von Donal Ryan sehr gut gefallen, denn sie regt dazu an, sich über Menschen, ihr Handeln, die Einflüsse auf ihr Leben, ihre Beweggründe Gedanken zu machen. Der Schreibstil und meine Probleme mit den Namen machten das Lesen aber zu anstrengend, um mehr als eine 2 zu vergeben.


Note:
[note2]
Staunt euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.
Ray Bradbury (1920 - 2012)